Freitag, 15. Mai 2009

Wie dumm ist ein Ausstieg Österreichs aus dem CERN


Auf die Gefahr hin, jetzt als Pessimist bezeichnet zu werden, aber irgendwie hab ich so etwas ja schon erwartet. In Zeiten wo die Grenzen immer offener werden, moderne Kommunikation die Weltverbindet und die Probleme der Menschheit (Ernährung, Energie, Frieden, etc.) nur mit internationaler Kooperation zu lösen sind, beweist Österreichs Regierung in Gestalt eines Wissenschaftsministers, was man in der Alpenrepublik als Weitblick bezeichnet. Nach 50 Jahren (!) Mitgliedschaft plant Min. Hahn den Ausstieg Österreichs aus dem CERN, dem internationalen Forschungszentrum wegen weniger als 20 Mio EUR im Jahr Mitgliedsbeitrag, der sicher mehrfach als Umwegrentabilität zurückkommt; aber erstmals eines nach dem anderen:

  • Der Ausstieg erfolgt zum denkbar dümmsten Zeitpunkt. Nach ca. 20 Jahren intensiver Mitarbeit geht das große LHC Experiment gerade los und wird uns unglaubliche Erkenntnisse bringen. Wir haben fleissig gesät, ernten werden andere!
  • Nur ein Österreicher mit dem Weitblick eines Regenwurms kann glauben, dass man aus jahrzehntelang laufenden Experimenten zum nächsten Monatsletzten aussteigen kann. Laut Infos aus dem CERN entsprechen die (übrigens sofort fälligen) Ausstiegsgebühren mehrere Jahresbeiträge. Minister Hahn, wo nehmen sie JETZT min. 75 Mio Eur her?
  • Wir schneiden unsere Studenten von der internationalen Forschungs-Community ab. Am CERN arbeiten praktisch alle Wissenschaften zusammen, die man sich nur vorstellen kann. Egal ob Geologie, Physik, Chemie, Materialwissenschaften oder Informationstechnologie, am CERN gehen alle an Ihre Grenzen. Mit einem Ausstieg zwingen wir vielversprechende Studenten gleich ins Ausland zu gehen.
  • Am CERN wurden gewaltige Entdeckungen gemacht, die die Welt revolutioniert haben! Beispiel: Das WWW wurde am CERN "erfunden" wurde?! Hier begann es.
  • Glaubt man wirklich, dass CERN das MedAustron als Kooperationspartner weiter unterstützt, wenn Österreich nicht einmal mehr Mitglied ist? LH Pröll poltert zurecht, was bemerkenswert ist, da Min. Hahn doch aus dem gleichen politischen Lager stammt. Aber wer braucht auch in Österreich ein lokales Forschungszentrum für Tumormedizin. Die paar Arbeitsplätze für die nächsten 30 Jahre.
  • Besonders schmerzlich ist die völlige Ignoranz der wirtschafltichen Umwegrentabilität einer CERN Mitgliedschaft! Österreichische Firmen werden keine Schraube mehr dorthin verkaufen und auch ihre Produkte nicht mehr verbessern können, weil ihnen das experimentelle Umfeld fehlt. Große Physik Konferenzen in Wien, wo man bekanntlich ja so stolz auf sein Image als Kongress-Stadt ist, werden garantiert nicht mehr nach Wien kommen und der AUA Flug Wien-Genf, immerhin eine der drei ertragreichsten Destinationen unserer Flieger, kein Wunder bei ca. EUR 800,- für ein Return-Ticket (!!!), wird auch ein paar Passagiere verlieren.
  • Forschungsaufträge an österreichische Firmen haben viele ermutigt, bei unseren östlichen Nachbarn gut ausgebildete aber unterbezahlte Techniker und Wissenschafter anzuwerben oder dort gleich Niederlassungen bzw. Labors zu gründen. Wenn Tschechien, die Slowakei und z.B. Ungarn Vollmitglieder sind, Österreich aber nicht einmal "Observer-Status" am CERN haben wird, ist dieser Weg der risikoarmen, weil vorab finanzierten, Expansion verbaut.
Für mich war es daher klar, die Online-Petition zu unterschreiben und ich ersuche Sie, dies auch zu tun.

Nehme ich das alles persönlich? Und ob ich es persönlich nehme, denn
  • ich durfte selbst den CERN besuchen und hab den unglaublichen "spirit" dort gespürt, den Menschen aus aller Herren Länder erfaßt, die an einem gemeinsamen Ziel arbeiten.
  • mein Unternehmen hat sogar schon einmal ein Geschäft mit dem CERN gemacht.
  • ein Mitglied meiner Familie forscht seit mehr als 20 Jahren als einer der renommiertesten österreichischen Wissenschafter am HEPHY und hat es mit seinen österreichischen Kollegen geschafft, eine der zentralsten Komponenten der größten Maschine der Welt am CERN zu entwerfen und zu bauen. (Bilder)
  • innerhalb weniger Tage haben SIEBEN (!) Nobelpreisträger offene Briefe geschrieben und zeigen sich erschüttert.
All das bringt mich zur Überzeugung, dass es ein unfaßbarer Schildbürgerstreich wäre, unsere Mitgliedschaft beim CERN nach über 50 Jahren aufzulösen.

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